Wie konnte das passieren? Eine Frage, die wir uns immer wieder stellen, wenn wir an den Nationalsozialismus mit all seinen Folgen denken. Doch wie ist es möglich, eine solch eine breite Masse an Menschen zu so etwas Undenkbarem zu bewegen? In diesem Text wird offengelegt, welche Methoden die Nationalsozialisten und andere totalitäre Systeme verwendet haben und verwenden, um die breite Masse zu beeinflussen und zu bewegen.
Wenn man an die Täter der NS-Zeit denkt, mag es einem schwer zu fallen, zu akzeptieren, dass die Täter ganz normale Menschen waren. Man mag glauben, dass es die eine „Täterpsyche“ gibt, die Täter zu Tätern machen. Doch schon lange ist klar: diese „Täterpsyche“ existiert nicht. Somit waren auch die Täter der NS-Zeit ganz normale Menschen, die durch die gezielte Manipulation der Nationalsozialisten zu ihren Taten bewegt und verleitet wurden. Die meisten Täter zeigten zudem eine stabile Psyche auf und waren somit nicht vorbelastet.
Doch wie war es möglich, solch eine Gruppendynamik auszulösen? Es fängt mit der Einteilung in „Wir“ und „die Anderen“ an. Es wird ein Problem und eine Ursache konstruiert, die die Gruppenzugehörigkeit (- und den Willen, einer Gruppe angehören zu wollen) als gerechtfertigt darstellen soll. Dieses Problem bzw. diese Ursache kann ganz unterschiedlich aussehen. In den meisten Fällen wird ein Problem kreiert, um das Handeln innerhalb der Gruppe zu rechtfertigten. Im Nationalsozialismus war dieses Problem überwiegend das Judentum. Schon seit Jahrtausenden gibt es Anzeichen für einen weit verbreiteten Hass gegenüber dieser Religion. Das mag unter anderem an der Ablehnung der Christen gegenüber dem Judentum zu liegen. Aber auch im Islam findet man einen starken Antisemitismus. Diese Ablehnung steigerte sich zu Feindseligkeit.
Hinzu kommt, dass die Gemeinschaft innerhalb der Gruppe durch das Handeln gegen die “Anderen“ gestärkt wird. So wird zum Beispiel einem Straßenarbeiter in der “Wir-Gruppe“ mehr Wert und Wichtigkeit zugesprochen als einem hoch qualifizierten Arzt der anderen Gruppe. Das Selbstwertgefühl wird bestärkt und steigt.
Anschließend wird eine Freund-Feind-Zuschreibung konstruiert. Dabei wird der Feind direkt auf die Ursache des Problems bezogen. Der Feind ist also die Ursache für ein Problem, das beseitigt beziehungsweise gelöst werden muss. Das Machtvorbild (- in diesem Fall die Regierung) ruft dazu auf, die Ordnung zu erkennen, in den Fokus zu rücken und wiederherzustellen. Zudem wird eine klare und unanzweifelbare Lösung vorgeschlagen, um das Problem zu lösen. Das macht vieles einfacher, da die Lösung sinnvoll und umsetzbar erscheint (in diesem Fall die Vernichtung des Judentums).
Die Menschen wurden dazu verleitet Schreckliches zu tun. Trotzdem wehrte sich nur eine kleine Minderheit. Doch wie kann man ein nicht reales Problem als ein unanzweifelbares und existierendes Problem aussehen lassen? Das funktioniert unter anderem, indem man zusätzlich die Angst als direktes Machtmittel einsetzt. Das Individuum ist auf der Suche nach Sicherheit und ist bereit, die Freiheit für diese aufzugeben. Die Angst ist somit das effizienteste Machtmittel, das eingesetzt werden kann, um die Psyche zu beeinflussen.
Im Faschismus gibt es immer ein Machtvorbild (oft vergöttlicht, unfehlbar), welches von einer Person ausgeht. Um eine klare Idee von aufrechtem und schlechtem Handeln zu bekommen, ist die Dichotomiserung in gut und böse wichtig. Wenn jemand in der Vorstellung des Machtvorbildes handelt, wird er oder sie belohnt (in Form von Akzeptanz, Aufstieg und Anerkennung). Wird jedoch gegen die Vorstellung des Machtvorbildes gehandelt, gibt es starke Sanktionen in Form von einem Ausschluss aus der sozialen Gesellschaft. Die Sanktionen werden schrittweise eingeführt und von Zeit zu Zeit gesteigert. So kommt es zu der Einführung des Spitzeltums. Auf diese Art kann unbewusst innerhalb des Systems überwacht werden, um möglichen Regelbrüchen vorzubeugen. Die öffentlich anerkannte Meinung wird im privaten Bereich von jedem Bürger durchgesetzt und Abweichler werden entblößt.
Um die Menschen noch einmal in ihrem Handeln zu bestätigen, wird eine Indoktrination durchgeführt. Dabei wird mit gezielter Manipulation die Ideologie in die Köpfe der Menschen eingepflanzt. Es wird versucht, die bereits gültigen Werte, Überzeugungen und Einstellungen sowie die Verhaltensweisen zu löschen. Ziel ist es, aus dem beschriebenen Bewusstsein eines jeden Menschen eine tabula rasa (unbeschriebenes Blatt Papier) zu machen und sicherzustellen, dass vor allem die neuen Werte, Überzeugungen und Einstellungen fixiert werden. Das meint, dass bestehende Verhaltensmuster und Denkweisen „überschrieben“ bzw. verändert werden, um ein neues Verhaltensmuster zu schaffen. Optional können Meinungen und Überzeugungen der Gegenseite aus dem öffentlichen Raum verbannt werden (vgl. Bücherverbrennung). Das sind einige Methoden, die bei dem Ziel der Entmenschlichung und Animalisierung geholfen haben könnten, um Abscheu, Ekel und Hass zu verbreiten.
Im folgenden Absatz sind einige Lösungsansätze aufgelistet, die dabei helfen können, zu hinterfragen, ob das eigene Handeln gerechtfertigt ist. Das Gefährliche daran ist, dass es unter Umständen sehr schwierig werden kann, sein Handeln zu hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Einigen Menschen ist es jedoch trotzdem gelungen, ihr Handeln zu hinterfragen und sich von der Masse abzuheben. Klassische Beispiele sind die „Weiße Rose“, die „Kreisauer Kreises“ oder die „Rote Kapelle“. Daher sollte man immer versuchen zu hinterfragen, ob das eigene Handeln gerechtfertigt oder angebracht ist. Das geht, indem man sich grundsätzliche Normen und Werte klarmacht und überlegt, ob diese eingehalten werden. Dabei sollten die damit verbundenen Grenzen der Toleranz nicht überschritten werden. Außerdem darf die Würde des Menschen nicht missachtet werden: „die Würde des Menschen ist unantastbar“. Damit verbunden ist auch das Recht auf Leben (jeder Mensch hat das Recht leben zu dürfen). Dieses Recht ist essenziell und darf unter keinen Umständen eingeschränkt werden. Fängt jemand an, dieses Recht (z.B. in einer bestimmten Gruppe) zu hinterfragen, kann es sehr schnell gefährlich werden. Die Meinungsfreiheit und die Privatsphäre dürfen ebenfalls nicht beeinflusst werden. Grundsätzlich sollte man sich an allgemein-geltende Werten orientieren und für diese einstehen, sofern sie bedroht werden.
Oliver Bertram (EF)
Oliver
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