Die Nacht im Hotel – Der Weg zum Zug

Die Nacht im Hotel – Der Weg zum Zug

Die folgende Geschichte füllt die Kurzgeschichte “Die Nacht im Hotel” von Siegfried Lenz (1926) kreativ auf. 

Geschrieben von Tom Schöpgens aus der 8a.

 

Doch der Fremde blieb noch wach. Er überlegte: „Dieser doofe Schwamm. Ich hasse Kinder, das müsste er doch wissen.“ Doch nach einiger Zeit schlief er ein. Am nächsten Morgen wachte der Fremde auf. Draußen war es bereits hell. Er nahm seine Krücken, die immer noch am Bett standen, so, als wäre es das Alltäglichste, als wäre es wie ein Kleidungsstück. Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotelbistro ging er zurück zu seinem Zimmer. Herr Schwamm schlief immer noch. „Fauler Sack.“, dachte sich der Fremde. Nachdem seine Sachen gepackt im Koffer lagen, reiste er ab.

Auf dem Weg zum Flughafen war ein riesiges Gedränge. In diesem Gedränge fiel er hin, konnte sich aber nicht selbst wieder aufrichten. Auf ihn kamen Menschen zu. Hunderte. Er fühlte sich, als ob er eine kleine Maus wäre, die in einem Saal voller Elefanten ist. Er verspürte Angst. Das erste Mal in seinem Leben war er ängstlich. „Was ist, wenn die Leute keine Rücksicht auf mich nehmen? Was ist, wenn ihnen ein einzelner Mensch egal ist?“ Der Fremde sah sein Leben an sich vorbeiziehen. Er sah den Moment, wo er sein erstes Wort sagte. „Mama.“, war es gewesen. Er sah seine Einschulung, den Tag, an dem er von Viertklässlern verprügelt wurde, seine erste und bis jetzt einzige Liebe, seine Frau und ihren ersten Kuss. Doch auch die Geburt seines Sohnes und die toten, leeren Blicke seiner geliebten Frau. Und Herr Schwamm, der Mann, mit dem er sich nur eine Nacht ein Zimmer teilte. Der mit ihm gesprochen hat, mit dem er gestritten hat und seinen enttäuschten Gesichtsausdruck, wenn er nach Hause kommt und seinen Sohn trösten muss.

„Nein!“, dachte er. „Ich darf so nicht denken. Kinder sind böse. Sie tun mir nichts Gutes, also ich ihnen auch nicht.“ Plötzlich entdeckte er im Gedränge das Gesicht eines Jungens. Klein, rund, aller höchstens sechs Jahre alt. „Mami, Mami, der Mann braucht Hilfe.“, hörte er nur. Dann rannte der Junge auf ihn zu und gab ihm eine Stützhilfe. „Danke, du hast mir das Leben gerettet.“, sagte der Unbekannte. Da kam ihm ein Geistesblitz. „Der Junge war nett zu mir. Ich habe die Kinder jahrelang falsch verstanden.  Sie sind nicht bösartig, gemein und unfair, sondern nett, hilfsbereit und freundlich. Schnell, ich muss einen Zug erwischen.“

Er rannte so schnell er konnte, und wie man mit Krücken kann, zum Bahnhof. Er ging so schnell es ging zum Zug. Der Zug stand zum Glück noch an Ort und Stelle. Er kaufte sich rasch ein Ticket und stieg ein. Der Zug fuhr im genau richtigen Moment los. Während der Zugfahrt überlegte der Mann, wie er auf sich aufmerksam machen konnte. Da fielen ihm seine Krücken ein. Sie waren so auffällig, dass man sie sogar aus einem Kilometer Entfernung sehen konnte. Also holte er sie aus der Gepäckablage und stellte sich bereit ans Fenster. Jeder Meter kam ihm wie eine Stunde vor. Er nahm vieles im Zug jetzt erst war. Das Geschreie eines Kindes, den Streit zwischen Passagier und Restaurantleiter, weil wohl das Essen kalt war, ja sogar die Laute eines Videospiels, was eine Person in einem anderen Wagon spielte. Noch wenige Meter bis zur Kreuzung waren übrig. fünf allerhöchstens. Der Fremde öffnete das Fenster und streckte seine Krücke hinaus. Aber erst musste er sich noch einmal schnäuzen. Doch als er gerade tief Luft holte, flog ihm das Taschentuch aus dem Fenster. Er fing es aber noch mit der Krücke auf.

Da sah er den Jungen. Klein, braunhaarig, ebenfalls rund und nicht sehr sportlich muskulös. „Die heutigen Kinder werden immer fetter. Muss an der Ernährung liegen.“, dachte sich der fremde Mann. Doch trotzdem hielt er seine Krücke und winkte damit. Das Gesicht des Jungen war erst verdutzt, doch dann freute er sich. Es sah so aus, als würde er jeden Moment anfangen zu schreien. Sein Kopf war hochrot und ihm schossen Freudentränen in die Augen. Der Junge winkte weiter, so, als ob sein Leben davon abhinge. Als der Zug dann die Kreuzung überquert hatte, freute sich auch der Fremde, denn er wusste, dass es das allererste Mal war. Das allererste Mal hatte er ein Kind mit einer ganz kleinen Geste glücklich gemacht.

Thomas Koch

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